Wenn die Steuerfahndung durchsucht, die sächsische Generalstaatsanwaltschaft ermittelt und das Finanzamt Millionen an Umsatzsteuer haben möchte, wird es eng für den Betroffenen. Wenn das gesamte Vermögen vorläufig beschlagnahmt wird, alle Konten gepfändet werden und dieser Zustand über ein Jahr andauert, ist die wirtschaftliche Existenz in der Regel zerstört. Und wenn das alles im Laufe eines Ermittlungsverfahrens geschieht, in dem mangels Verurteilung die Unschuldsvermutung gilt, die gesetzlichen Arrestvoraussetzungen nicht vorliegen und das Finanzamt selbst entscheidet, ohne dass jemals ein Richter darübergeschaut hat, wird es ärgerlich.

Einer solchen Vorgehensweise hat jetzt der Bundesfinanzhof eine Absage erteilt. Mit Entscheidung vom 6. Februar 2013 (XI B 125/12) hat der BFH auf eine Beschwerde von Herrn RA Andrej Klein einen Beschluss des Sächsischen Finanzgerichts aufgehoben und eine andauernde Arrestvollziehung aufgehoben.

Die wesentlichen Aussagen: Ein Antrag auf Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung eines angeordneten Arrests ist im Einzelfall dann zulässig, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit ein günstiger Prozessausgang für den Steuerpflichtigen zu erwarten ist. Und: Der Vorwurf einer Steuerhinterziehung allein stellt keinen Arrestgrund dar, das Vermögen des Beschuldigten vorläufig zu blockieren.

Der Sinn und Zweck einer vorläufigen Vermögensblockade ist zunächst einmal nachvollziehbar. Es geht darum, eine Vermögensverschleierung während desjenigen Zeitraums zu verhindern, in dem der Beschuldigte erstmals von den Ermittlungen gegen sich erfährt (in der Regel bei einer Durchsuchung) und der rechtskräftigen Entscheidung über einen Vermögensverfall oder eine Steuernachforderung. Dazwischen können Jahre liegen, in denen Vermögen beiseite geschafft werden könnte.

Andererseits liegen zu Beginn von Ermittlungen meist nur Verdachtsmomente vor, häufig noch nicht einmal das, sondern nur Vermutungen oder Indizien. Die Folgen gesperrter Vermögenswerte sind in der Regel aber gravierend. Der tägliche Alltag kann nicht mehr finanziert werden. Kredite werden notleidend. Versicherungsbeiträge, Mieten und Kinderbetreuungskosten können nicht mehr gezahlt werden. Der Imageschaden gegenüber Banken und Geschäftspartnern ist irreversibel.

Die gesetzlichen Grundlagen dieses Vorgehens werden der Intensität eines solchen Eingriffs in das Eigentumsgrundrecht hingegen nicht gerecht. Bei einem strafprozessualen Arrest bedarf es zwar einer richterlichen Anordnung. Es genügt jedoch ein einfacher Tatverdacht; also genauso wenig, wie für die Einleitung von Ermittlungen überhaupt erforderlich ist. Das Besondere beim steuerrechtlichen Arrest ist, dass das Finanzamt, also der Gläubiger selbst, den Arrest anordnen und vollstrecken kann – ohne jede richterliche Mitwirkung!

Gegen die Anordnung eines solchen dinglichen Arrests über ca. 2,6 Mio. € durch das Finanzamt Dresden-Nord hatte Herr RA Andrej Klein eine sog. Sprungklage erhoben, die das Sächsische Finanzgericht zwar als Eilantrag auslegte, diesen jedoch mit der Begründung ablehnte, dass die Aufhebung einer Vollziehung im Arrestverfahren nur gegen Sicherheitsleistung in genau derselben Höhe zulässig wäre. Hiergegen richtete sich die Beschwerde zum Bundesfinanzhof, die nunmehr erfolgreich war.
Der dingliche Arrest in Steuersachen nach § 324 AO gibt dem Finanzamt die Möglichkeit, ohne richterliche Prüfung in Grundrechte des Steuerpflichtigen einzugreifen. Es ist weder eine strenge Glaubhaftmachung des eigenen Anspruchs erforderlich, noch werden dem Finanzamt inhaltliche oder zeitliche Grenzen für die Arrestdauer gesetzt. Folgte man der Auffassung von Finanzamt und Finanzgericht, würde allein eine unrealistisch hohe Arrestsumme und das Erfordernis einer gleichen hohen Sicherheitsleistung dazu führen, dass niemals ein Richter über die Begründetheit einer Arrestanordnung entscheiden würde, weil ein gerichtlicher Antrag bereits unzulässig sei.

Dies hingegen ist mit dem grundgesetzlichen Gebot effektiven Rechtsschutzes nicht vereinbar – so auch der BFH. Zumindest in denjenigen Fällen, in denen mit Gewissheit oder großer Wahrscheinlichkeit ein für den Steuerpflichtigen günstiger Prozessausgang zu erwarten sei, tritt das öffentliche Interesse an einer vorläufigen Vermögenssicherstellung zurück und eine Sicherheitsleistung dürfe nicht gefordert werden.

Auch hat der BFH betont, dass der Vorwurf einer Steuerhinterziehung allein nicht ausreiche, einen Arrestgrund zu bejahen. Hierfür bedürfe es weiterer Tatsachen, die eine Vermögensverschleierung oder eine Vollstreckungsvereitelung belegen.
Diese Entscheidung hat weitreichende Folgen für die Anordnung steuerlicher Arreste durch die Finanzämter. Sie gebietet der zunehmenden Praxis vorschneller Arreste Einhalt und gibt den Betroffenen eine effektive Rechtsschutzmöglichkeit.