Nach dem Flugzeugunglück vom 01.07.2002 im Luftraum über dem Bodensee hatte die Staatsanwaltschaft Konstanz ein Ermittlungsverfahren gegen die beschuldigten Mitarbeiter der Firma Skyguide in Zürich eingeleitet.

Die Zuständigkeit hierfür stützte sich gemäß dem sog. Tatortprinzip darauf, dass das Flugzeugunglück über deutschem Hoheitsgebiet geschah. Zeitgleich begann auch ein Ermittlungsverfahren in der Schweiz, weil es sich bei den Beschuldigten um schweizerische Staatsangehörige handelt und die Firma, der die Flugsicherung übertragen war, in Zürich ansässig ist.

Nach den Ermittlungsergebnissen beruht der Unfall auf einer nahezu unglaublichen Verkettung mehrerer örtlich und zeitlich zusammenfallender Ereignisse, wofür die Staatsanwaltschaft in unterschiedlicher Weise die verbliebenen acht Beschuldigten verantwortlich macht. Der damals diensthabende Fluglotse selbst war bereits am 24.02.2004 durch den Vater einer ums Leben gekommenen russischen Familie erstochen worden. Bei den verbliebenen Beschuldigten handelt es sich um den zweiten Fluglotsen der Nacht des 01.07.2002, den Dienstleiter und den Systemmanager der Spätschicht, den Operationsleiter der Bezirksleitstelle Zürich und dessen Chef, den Leiter des Flugsicherungsbetriebs, den technischen Projektleiter sowie den Experten für die Systemplanung.

Am 01.07.2002 gegen 23.30 Uhr war eine DHL-Frachtmaschine, aus Italien kommend, mit Flugziel Brüssel, bei der Stadt Überlingen am Bodensee mit einer Passagiermaschine der Bashkirian Airline zusammengestoßen, die von Moskau nach Barcelona unterwegs war. Nach den Ergebnissen der Bundesstellen für Flugunfalluntersuchungen in Braunschweig und Bern beruhe der Unfall nicht nur auf einer schicksalhaften Begegnung zweier Flugzeuge in exakt derselben Höhe, sondern auf einer Vielzahl weiterer Ursachen:

Aufgrund einer seit längerem geplanten Systemumstellung in genau dieser Nacht sei es im Flugleitzentrum in Zürich zu einem Teilausfall des optischen Radarsystems gekommen, die telefonischen Standleitungen zu benachbarten Flugleitzentren seien für einen kurzen Zeitraum unterbrochen gewesen, ein Fluglotse habe sich vorschriftswidrig in der Pause befunden, der andere habe zeitgleich den Landeanflug einer verspäteten Urlaubsmaschine auf den Flughafen Friedrichshafen steuern müssen und darüber hinaus falsche Anweisungen an die beteiligten Flugzeugbesatzungen gegeben. Zu allem Überfluss sei auch die russische Besatzung mit dem automatischen Anti-Kollisions-Programm (TCAS) der Flugzeuge untereinander überfordert gewesen, weil die Anweisungen an die Piloten durch den Hersteller, die jeweiligen nationalen Luftverkehrsbehörden und internationale Gremien widersprüchlich waren.

Mit Datum vom 30.06.2006 wurde den Beschuldigten von schweizerischer Seite ein sogenannter „Anklagevorhalt für die Schlusseinvernahmen“ zugestellt, auf den nach dortigem Recht die Beschuldigten ein abschließendes Recht zur Stellungnahme hatten. Wenig später wurde sodann durch die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland gegen die acht Beschuldigten Anklage zum Bezirksgericht Bülach mit dem Vorwurf erhoben, in 71 Fällen fahrlässig den Tod eines Menschen verursacht sowie fahrlässig den öffentlichen Luftverkehr gefährdet zu haben.

Vor dem Hintergrund des gewöhnlichen Aufenthaltes der Beschuldigten in der Schweiz, des Auslieferungsverbotes nach der Schweizerischen Verfassung und im Hinblick auf das in Deutschland bestehende Doppelverfolgungsverbot hat die Staatsanwaltschaft Konstanz nunmehr ihre Schweizer Kollegen ersucht, das inländische Strafverfahren zu übernehmen. Sie hat dadurch ein Verfahrenshindernis für eine weitere Strafverfolgung in Deutschland geschaffen, das auf Initiative des deutschen Verteidigerteams unter Federführung der Münchner RAin Dr. von Stetten zu der vorläufigen Einstellung des hiesigen Strafverfahrens gemäß § 205 StPO führte.

Diese Verfahrenseinstellung hat für die Beschuldigten, unter anderem für den durch Herrn RA Andrej Klein vertretenen Operationschef in der Züricher Skyguide-Zentrale, eine immense Bedeutung. Hintergrund ist das bereits erwähnte Doppelverfolgungsverbot des Art. 103 Abs. 3 GG. Danach darf in Deutschland niemand wegen derselben Tat mehrfach bestraft werden. Nach dem Geltungsbereich ist dieser Grundsatz jedoch nur auf deutsche Gerichte und deutsche Strafverfolgungsbehörden anwendbar. Ausländische Urteile binden die deutschen Strafverfolgungsbehörden nicht. Ausnahmen hierfür sind lediglich internationale oder transnationale Abkommen, wobei im Rechtsverkehr mit der Schweiz zu beachten ist, dass diese weder EU-Mitglied noch Schengen-Staat ist. Auch wurden von der Schweiz keine für diesen Fall relevanten EG-Vorschriften ratifiziert.

Geholfen hat jedoch der deutsch-schweizerische Ergänzungsvertrag zum Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen, wonach die Bundesrepublik Deutschland die Schweizerische Eidgenossenschaft ersuchen kann, ein Strafverfahren zu übernehmen und damit gleichzeitig ein Verfahrenshindernis für die eigene Strafverfolgung schafft