Die Strafprozessordnung kennt vier Arten formeller Beweismittel, um einen Straftäter zu überführen: den Sachverständigen, den Augenscheinsbeweis, die Urkunde und – den Zeugen. Der Zeuge ist das mit Abstand häufigste Beweismittel, gleichzeitig aber auch das unsicherste.

Wer einmal ein Strafverfahren miterlebt hat, weiß das. Die Wahrnehmungen sind höchst verschieden; die Erinnerung verblasst bei einem früher, beim anderen später. Und Zeugen können lügen, ohne rot zu werden. Die Strafandrohung für Falschaussagen schreckt die wenigsten ab, zumal in Deutschland die Beeidigung einer Zeugenaussage die Ausnahme ist und wenn schon, diese erst nach der Aussage geschieht – wenn aus psychologischer Sicht die Sache schon in den Brunnen gefallen ist. Wer gibt am Ende schon zu, zuvor gelogen zu haben?

Besonders leidvoll hatte dies ein Mandant zu erfahren, der durch eine einzige Zeugin belastet wurde, nunmehr jedoch – nach viereinhalb Jahren und mehreren Instanzen – durch das Landgericht Dresden freigesprochen wurde (Az.: 9 Ns 309 Js 57970/02).

Die Zeugin W., die langjährige Lebensgefährtin unseres Mandanten, hatte ein Luxusauto finanzieren wollen und hierfür eine Bürgschaftserklärung ihres Vaters gefälscht. Nachdem sie die Raten nicht zahlte, wurde der Bürge in Anspruch genommen, der aus allen Wolken fiel und seine Tochter zur Rede stellte. Als Ausrede behauptete sie nun, hierzu von unserem Mandanten angestiftet worden zu sein. Anzeige, Anklage und erstinstanzliches Urteil folgte – wegen Anstiftung zum Betrug und zur Urkundenfälschung. Die Zeugenaussage sei stimmig, in sich schlüssig, sehr anschaulich, detailreich und logisch. Zweifel an der Zeugin hege das Gericht nicht.

Das Landgericht hingegen – einige Jahre und viele Hauptverhandlungstermine später – attestierte, dass die Zeugenaussagen haltlos seien. Sämtliche Unterlagen seien „ausschließlich durch die Zeugin und ohne Wissen des Angeklagten gefälscht“ worden. Wie kann so etwas sein?

Der Verteidiger, Herr RA Andrej Klein, hatte durch mühevolle Kleinarbeit, Schriftgutachten, zusätzliche Zeugen und die Auswertung diverser Dokumente wie Faxprotokolle, Verträge, Testamente bis hin zu Liebesbriefen herausgefunden, dass sämtliche Geschichten der Zeugin erfunden waren und sie selbst nicht nur eine Bürgschaftserklärung gefälscht hat, sondern auch Gehaltsbescheinigungen, Steuererklärungen, Schufa-Auskünfte, Kontoauszüge und diverse Unterschriften. Die Staatsanwaltschaft, die über Jahre hinweg die Zeugin schützte, Ermittlungsverfahren gegen sie einstellte, während laufendem Berufungsverfahren Exklusivvernehmungen der Zeugin durchführte und Akteninhalt preisgab und sogar Haftbefehl (!) gegen den Mandanten beantragte (es ging damals lediglich um eine geringe Geldstrafe), hatte schließlich nichts mehr entgegenzusetzen und verzichtet auf ein Rechtsmittel gegen den ausgeurteilten Freispruch.