Nur wenige unserer Strafverfahren haben die gesellschaftliche Diskussion so befeuert wie der Fall eines KSK-Soldaten, der 2021 vor dem Landgericht Leipzig verhandelt wurde. Erkenntnisse aus der Beweisaufnahme wie z.B. der allzu laxe Umgang mit Munition innerhalb des Kommandos Spezialkräfte der Bundeswehr führten zu Erklärungsnöten der Bundesverteidigungsministerin; eine als „Sammelaktion“ bezeichnete, jedoch offensichtlich illegale Munitionsamnestie zu einem Austausch der Kommandoführung.

Unser Mandant war Ausbilder beim KSK und hatte eingeräumt, Munition, Sprengstoff, diverses Zubehör und eine nicht funktionsfähige Waffe privat besessen zu haben, indem er sie in seinem Garten vergraben hatte. Es handelte sich um Gegenstände, mit denen er beruflich seit über 20 Jahren nahezu täglich Kontakt hatte, um Munition und Sprengstoff, mit dem er im KSK seit vielen Jahren seine jungen Kollegen ausbildete – sein Handwerkszeug. Es waren also Dinge, die er beruflich nutzte, aber privat nicht besitzen durfte. Es ging – strafrechtlich betrachtet – um einen Verstoß gegen das Waffengesetz, das Sprengstoffgesetz und das Kriegswaffenkontrollgesetz.

Jeweils nach Übungen, die von ihm geplant und geleitet wurden, hatte er als Ausbildungsleiter nicht verbrauchte Munition und Sprengstoff aufgehoben, um sie bei Folgeübungen weiterzuwenden. Es war sog. „Engpassmunition“ bei der Bundeswehr, die man vor jeder Übung aufwendig beantragte, aber nicht immer auch bekam. Diese Art des Munitionssammelns stellt unbestreitbar einen Verstoß gegen Bundeswehrregeln dar, die besagen, dass solche Restmunition nach den Übungen in die Schieß- und Sprengkladde aufzunehmen ist und zurück an die Munitionsgruppe geht. So jedenfalls die Theorie.

Im Nachgang zur Abschiedsparty eines ehemaligen Kompaniechefs im April 2017 wurden interne Ermittlungen eingeleitet. Aus Sorge darüber, dass man diese Übungsreste bei ihm findet, entschloss sich der Mandant, sie aus dem Kasernengelände zu verbringen. Er vergrub sie bei sich zuhause, wo sie keinem auffielen und aufgrund der professionellen Lagerung auch keine Gefahr darstellten. Und so fand man – nach einem Hinweis der Ex-Frau – im Frühjahr 2020 neben „scharfer Munition“ verschiedener Kaliber im Wesentlichen Übungs- und Manövermunition, nämlich FX-Farbmarkierungspatronen, die vergleichbar mit der zivilen Paintballmunition sind, und Blitz-Knall-Patronen, umgangssprachlich Platzpatronen. Zu der nächsten Großübung war es zuvor corona-bedingt nicht gekommen. Die Munition im Zuge der Amnestie im Frühjahr über hunderte Kilometer zurück in die Kaserne nach Calw zu schaffen, erschien dem Mandanten damals zu heikel. Ein Fehler, wie sich nun herausstellte. Wären die Sachen in den Sammelboxen der „Amnestie“ gelandet, hätte der Mandant nicht vor Gericht gesessen, hätte keine 6 Monate Isolationshaft hinter sich und wäre nach wie vor ein hoch angesehener und hoch dekorierter Soldat beim KSK.

Ebenfalls gefunden wurden 4 Päckchen mit je 500g PETN, ebenfalls ein Engpass beim KSK.  Im Vergleich sowohl zu den üblicherweise verübten Mengen und mit Blick auf die vom Generalinspekteur insgesamt vermissten 62 kg war auch diese Menge eher überschaubar. Sie sei nach Angaben des Sprengstoffgutachters allenfalls geeignet, einen Mauerdurchbruch zu schaffen, indem man diesen Plastiksprengstoff in eine Art Bilderrahmen knetet und dann aus der Entfernung freisetzt. Und schließlich fand man eine über 50 Jahre alte, nicht funktionsfähige Schusswaffe des Typs Awtomat Kalaschnikow (AK 47) aus dem Jahre 1968, offenkundig aus polnischer Produktion, ergänzt um verschiedene Ersatzteile unterschiedlicher Herkunft, laienhaft überlackiert. Diese Waffe hatte ihre Kriegswaffeneigenschaft verloren und zwar – so der Waffengutachter – schon bevor sie vergraben wurde. Der Mandant wusste das auch, kannte er sich doch mit solchen Kalaschnikows seit Jahrzehnten aus. Er hatte an ihnen u.a. die örtlichen Sicherheitskräfte in Afghanistan ausgebildet.

Wie von der Verteidigung beantragt, wurde der Mandant zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Das Gericht folgte der Argumentation von RA Andrej Klein, wonach die Kalaschnikow aufgrund der erkennbar fehlenden Funktionsfähigkeit nicht dem Kriegswaffenkontrollgesetz unterfiel.

Die Ermittlungen zu vermeintlichen rechten Netzwerken innerhalb der Bundeswehr hatten sich ebenso als unbegründet herausgestellt wie ein rechtsradikaler oder gar terroristischer Hintergrund der Tat, den man zunächst vermutet und dessentwegen der Mandant rechtswidrig in sechsmonatiger Isolationshaft saß. Von ca. 19.000 bei Durchsuchungen sichergestellten und ausgewerteten Bilddateien hätte lediglich 77 Bilder eine „gewisse Affinität zur Wehrmacht“ gezeigt. Darunter seien jedoch auch satirische Bilder, etwa aus der Hitler-Filmparodie „Er ist wieder da“, oder auch Fotos, die dem Mandanten lediglich per WhatsApp geschickt worden seien.

Die Generalstaatsanwaltschaft, die in ihrem Plädoyer eine unbedingte Freiheitstrafe gefordert hatte, verzichtete auf eine Revision gegen das Urteil, das damit eine Woche nach Urteilsverkündung rechtskräftig wurde.


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